Meine Klasse bekam Gestern auf einem Arbeitsblatt folgende Aufgabe:
„Schildere die Geschichte eines Wassertröpfchens, das im indischen Ozean verdunstet und in Richtung Norden verdriftet wird.“
Ich habe dann so ziemlich die gesamte restliche Stunde, die Geschichte eines Wassertropfens aufgeschrieben, auch wenn die Aufgabe vermutlich nicht ganz so gemeint war, hat es irgendwie Spaß gemacht.
Es war einmal in einem kleinen Teil des indischen Ozeans, dort schwamm ein Wassertröpfchen, umgeben von seinen Freunden. Es besaß nicht viel aber es genügte um ein erfülltes Dasein zu genießen. Doch dann an einem Tag, der begann, wie jeder andere auch, sollte sich alles ändern. Unser Tröpfchen, das im übrigen Tröpfel hieß, war gerade unterwegs zu seiner täglichen Säuberungen durch einen der Filter, die irgendwie ins Meer gelangt waren, als es plötzlich fühlte wie etwas an seinem äußeren zu schwingen begann und sich langsam bis in seine innersten Moleküle vorarbeitete. Es fühlte sich, als würden die Atome, aus dem es bestand, einzeln aus ihm heraus gerissen werden. Es schrie, es hatte Angst. Nach einiger Zeit lies der Schmerz abrupt ab. Es wollte Prüfen, ob mit seinem Körper noch alles in Ordnung war, doch es fand keinen mehr. Es sah zu, wie er sich von seinen Freunden entfernte, begann langsam zu schweben, versuchte sich irgendwo festzukrallen; vergeblich. Es driftete weiter ab, stieg immer höher, bis seine Freunde endgültig verschwunden waren. Tröpfel war am Boden zerstört. Es war nicht genug gewesen seinen Körper zu verlieren, nein, das Tröpfchen verlor alles, was ihm jemals etwas bedeutet hatte. Es schwebte eine halbe Ewigkeit weiter nach oben, als es auf einmal etwas hörte. Es klang seltsam, beinahe wie Stimmen, aber wie konnte das sein? Die Stimmen wurden immer lauter und auf einmal nahm die Sichtweite immer weiter ab, bis es schließlich vollständig in Nebel gehüllt war. Es war umgeben von seines gleichen, umgeben von denjenigen, denen das gleiche Schicksal widerfahren war.
Tröpfel dachte immer noch sehr oft an seine alten Freunde, auch wenn seit seinem verschwinden bereits einige Zeit vergangen war. Man muss wissen, dass das Zeitgefühl und die Lebenserwartungen von Wassertropfen nicht etwa der, der Menschen entsprechen; so kann schon ein Tag im Leben eines Wesens wie unserem Tröpfchen, ihnen wie eine halbe Ewigkeit vorkommen. Wie auch immer, Tröpfel hatte wieder einige neuer Freunde gefunden und auch an sein neues, körperloses leben gewöhnte es sich allmählich.
Die nächste Veränderung sollte sich an einem Morgen, so unscheinbar, wie auch schon der Tag seines Verschwindens, ereignen. Es war gerade erst aufgewacht, als es plötzlich ein seltsames kribbeln verspürte, dort, wo vor einiger Zeit noch sein Körper gewesen war. Es fühlte sich immer schwerer und als es an sich herunterschaute, bemerkte es, dass auf wundersame weise sein Körper wieder aufgetaucht war. Erst freute es sich, wie schon lange nicht mehr, doch dann riss es urplötzlich nach unten. Es schwebte nicht mehr, es stürzte, in einer Geschwindigkeit, die sich nicht Beschrieben lässt, man müsste sie schon selbst am eigenen Leibe erfahren, um sie begreifen zu können. Es fühlte sich immer steifer und unbeweglicher, was nicht, wie es zuerst dachte, an der unglaublichen Geschwindigkeit lag, sondern an der Kälte; es gefror, konnte sich nicht mehr bewegen und krachte nach einigen weiteren Sekunden, die ihm vorkamen wie Jahre auf etwas hartes. Es zersplitterte und verlor das Bewusstsein.
Stimmen. Lauter werdende Stimmen. Bekannte Stimmen. Tröpfel erwachte und erkannte seine Freunde, die er seit seinem Aufsteigen in den Himmel nicht mehr gesehen hatte. Das Tröpfchen, bzw. seine Überbleibsel, waren noch eine ganze Weile auf dem harten etwas, auf dem es aufgekommen war gelegen. Irgendwann ist es dann aber, da es wärmer geworden war, aufgetaut und in den Ozean gerollt. Seine Bruchstücke hatten sich wieder zu einem Ganzen zusammengefügt. Die Natur hatte, wie es scheint, nicht nur ihn an einen anderen Ort verschlagen, die Meeresströmung hatte auch seine Freunde bewegt, und somit ihre Wiedervereinigung ermöglicht.
Das Ende ist, vor allem von den Formulierungen, etwas seltsam, ich weiß.
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